Die Umsetzung von Worten in Taten ist nie selbstverständlich, doch die „Vision für Landwirtschaft und Ernährung“ der Europäischen Kommission gibt einen ambitionierten Kurs für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft vor.
Diese langfristige strategische Vision, die von Kommissar Christophe Hansen in Brüssel vorgestellt wurde, hat zum Ziel, die EU-Landwirtschaft wettbewerbsfähiger, widerstandsfähiger und zukunftsorientierter zu gestalten und gleichzeitig faire Bedingungen für die Landwirte und den gesamten Agrar- und Ernährungssektor zu gewährleisten.
Ein Fahrplan für die Transformation der Landwirtschaft
Die Vision, die bis 2040 reicht, legt keine konkreten wirtschaftlichen Ressourcen fest, schafft aber die Grundlage für bedeutende Strukturveränderungen. Die Europäische Kommission hat wichtige Maßnahmen skizziert, angefangen mit einem umfassenden Paket zur Vereinfachung der Agrargesetzgebung und einer Digitalstrategie für die Landwirtschaft bis 2025. Diese Schritte zielen darauf ab, den Sektor zu modernisieren und Abläufe zu optimieren, um Landwirten die Anpassung an neue Herausforderungen und Technologien zu erleichtern.
Die wichtigsten Säulen der Vision
Die Vision ruht auf drei Kernpfeilern:
1. Ein wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger Agrarsektor
- Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs für EU-Landwirte auf dem Weltmarkt
- Vorschläge für Vereinfachungsmaßnahmen zur Reduzierung bürokratischer Hürden
- Aufstellung eines langfristigen Plans für eine nachhaltige Tierhaltung
2. Ein zukunftssicheres, nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem
- Stärkung des Umweltschutzes bei gleichzeitiger Wahrung der Produktivität
- Beschleunigung der Zulassung und Anwendung von Biopestiziden
- Einführung eines Instruments zur Messung des Fortschritts im Bereich Nachhaltigkeit
- Umsetzung einer Strategie zur Stärkung der Wasserresilienz zur Optimierung der Wassernutzung
3. Steigerung der Nahrungsmittelproduktion und ländliche Entwicklung
- Aktualisierung des EU-Aktionsplans für den ländlichen Raum
- Reform der Tierschutzbestimmungen
- Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Förderung fairer Arbeitsbedingungen
Diese Maßnahmen werden die Voraussetzungen für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2027 schaffen, die derzeit 33 % des EU-Haushalts ausmacht und sich im Zyklus 2023-2027 auf insgesamt 387 Milliarden Euro beläuft.
Führungsperspektiven
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass die EU-Landwirte eine zentrale Rolle im Lebensmittelproduktionssystem der Union spielen und im globalen Wettbewerb sowie angesichts der Herausforderungen des Klimawandels unterstützt werden müssen. Exekutiv-Vizepräsident Raffaele Fitto bekräftigte das Engagement für die Revitalisierung ländlicher Gebiete und die Förderung von Nachhaltigkeit, Innovation und Wirtschaftswachstum. Kommissar Hansen hob die Notwendigkeit hervor, die Ernährungssouveränität zu gewährleisten, die Widerstandsfähigkeit des Sektors zu stärken und junge Generationen für die Landwirtschaft zu begeistern.
Ein Kurswechsel in der Agrarpolitik
Die neue Vision markiert eine Abkehr vom bisherigen Ansatz des Green Deals, der nach Ansicht einiger Kritiker zu restriktiv für Landwirte war. Italien, vertreten durch Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, hat die neue Strategie nachdrücklich unterstützt und sie als grundlegende Kurskorrektur betrachtet, die die Agrarpolitik an wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten ausrichtet. Der Minister betonte, wie wichtig es sei, diese strategischen Ziele in konkrete Gesetzesreformen umzusetzen, darunter Überarbeitungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), Handelsregeln und regulatorische Anpassungen.
Reaktionen der Branche und bevorstehende Herausforderungen
Europäische Agrarorganisationen haben die Vorschläge der Kommission weitgehend begrüßt. Massimiliano Giansanti, Präsident von Confagricoltura und Copa, lobte den Fokus auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Coldiretti-Präsident Ettore Prandini und Generalsekretär Vincenzo Gesmundo unterstützten zwar die Vision, warnten aber vor möglichen Umverteilungen von Fördermitteln, die die finanzielle Stabilität der GAP gefährden könnten. Raffaele Drei, Präsident der Genossenschaft Fedagripesca, hob den positiven Wandel hervor, Landwirte nun als Hüter der Umwelt und nicht mehr als Hindernisse für Nachhaltigkeit anzuerkennen.
Fazit: Visionen in die Tat umsetzen
Die neue Agrarvision der EU bietet einen wegweisenden Fahrplan für den Sektor mit dem Ziel, wirtschaftliche Tragfähigkeit, ökologische Verantwortung und ländliche Entwicklung in Einklang zu bringen. Der breite Konsens über diese Ziele ist vielversprechend, doch die Herausforderung besteht nun darin, Maßnahmen umzusetzen, die Landwirten und der gesamten Lebensmittelversorgungskette konkrete Vorteile bringen. Die anstehenden Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und die regulatorischen Anpassungen werden entscheidend dafür sein, dass diese Vision in konkrete Maßnahmen für die europäische Landwirtschaft mündet.
Quelle: WineNews