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Die EU-Debatte über einen neuen Plan zur Rodung von Weinbergen: Wiederholt sich die Geschichte?

Im Jahr 2009 erholte sich der europäische Weinsektor noch immer von der globalen Finanzkrise der Jahre 2007–2008, deren dramatischstes Merkmal der Zusammenbruch von Lehman Brothers war.

Während der sogenannten „Großen Rezession“, die bis 2013 andauerte, ging die Nachfrage nach Wein, wie bei den meisten Konsumgütern, zurück. Als Reaktion darauf ergriff die Europäische Union eine drastische Maßnahme: ein Programm zur Rodung von Weinbergen (2009–2011), das mit einem beträchtlichen Budget von einer Milliarde Euro finanziert wurde. Das Ziel war klar: den Überschuss im Weinsektor an die gesunkene Verbrauchernachfrage anzupassen.

Die Weinbranche befindet sich heute erneut in einer turbulenten Phase. Anders als vor 15 Jahren sind die Herausforderungen jedoch umfassender und struktureller Natur: schwacher Konsum in den wichtigsten Märkten, Inflationsdruck, veränderte Gesundheitstrends und die negativen Auswirkungen von Zöllen und Kriegen auf die Handelsströme. Analysten gehen mehrheitlich davon aus, dass der Weinkonsum in den kommenden Jahren weiter sinken wird. Vor diesem Hintergrund fordern einige Politiker und Produzenten einen weiteren drastischen Schritt – ein europaweites Programm zur Rodung von Weinbergen.

Deutschlands Vorstoß für einen gesamteuropäischen Plan

Auf der Tagung des Rates „Landwirtschaft und Fischerei“ (Agrifish) am 19. September legte Deutschland einen entsprechenden Vorschlag auf EU-Ebene vor. Zwar bot das im Juni vom Rat der EU verabschiedete „Weinpaket“ den Mitgliedstaaten bereits die Möglichkeit, die Entwurzelung auf nationaler Ebene umzusetzen, doch Deutschland hielt dies für unzureichend. In seinem dem Rat vorgelegten offiziellen Dokument betonte Berlin die Notwendigkeit „weiterer Anstrengungen auf europäischer Ebene, die über das Weinpaket hinausgehen“.

Der deutsche Vorschlag sieht sowohl dauerhafte als auch vorübergehende Rodungsmaßnahmen vor, wobei letztere mit ökologischen Initiativen verknüpft sind. Dazu gehören beispielsweise die Wiederbepflanzung der gerodeten Flächen mit umweltfreundlichen Nutzpflanzen oder die Integration von Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität. Durch die Einbindung ökologischer Anreize erhofft sich Deutschland eine breitere Akzeptanz des Programms und die Vermeidung des Risikos vernachlässigter, aufgegebener Weinberge, die phytosanitäre Probleme für umliegende Agrarflächen verursachen können.

Frankreich, Italien und Spanien: Unterschiedliche Ansichten

Frankreich, das insbesondere in Bordeaux mit einer Konsumkrise konfrontiert ist, hat bereits eigenständig gehandelt und einen Plan zur Rodung von rund 90.000 Hektar Land umgesetzt. Die französische Regierung hat Brüssel zudem um zusätzliche Unterstützung gebeten, was auf eine Angleichung an den deutschen Vorschlag hindeutet.

Italien verfolgt jedoch einen vorsichtigeren Ansatz. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida hat sich wiederholt gegen das Roden von Reben ausgesprochen und stattdessen die Umwandlung von Weinbergen in Anbauflächen der vollständigen Rodung vorgezogen:
„Ich bin kein großer Befürworter der Entwurzelung. Allenfalls könnten wir eine Umwandlung in Betracht ziehen, aber das Land aufzugeben und dafür Ressourcen aufzuwenden, ist keine Option. Das widerspräche auch der Vorstellung vom Landwirt als Hüter des Landes.“

Diese Sichtweise wird von den wichtigsten italienischen Branchenverbänden, darunter dem Italienischen Weinverband (UIV) und Federvini, unterstützt. Sie argumentieren, dass die Rodung von Reben nicht nur die nachhaltige Landwirtschaft untergräbt, sondern auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Sektors gefährdet.

Spanien, ein weiteres bedeutendes Weinbauland, steht vor ähnlichen Schwierigkeiten. Wie Italien verfügt es über riesige Rebflächen und strukturelle Ungleichgewichte, zögert aber ebenfalls, eine großflächige Rodungsstrategie zu verfolgen, die seine ländlichen Landschaften verändern und die Widerstandsfähigkeit seiner Erzeuger schwächen könnte.

Ein bekanntes Dilemma für Europa

Die Frage, vor der die europäischen Entscheidungsträger stehen, ist nicht neu: Soll die EU angesichts der sinkenden Nachfrage entschieden eingreifen und die Produktionskapazitäten reduzieren oder innovativere, anpassungsfähigere Maßnahmen zur Unterstützung der Erzeuger ergreifen? Der Entwurzelungsplan von 2009–2011 hat gezeigt, dass Brüssel bei Bedarf entschlossen handeln kann, hinterließ aber auch Narben in Regionen, in denen traditionelle Weinberge für immer verschwanden.

Neu ist die Betrachtung der Umsiedlung nicht nur als ökonomische, sondern auch als potenziell ökologische Maßnahme. Mit Umweltanreizen umgesetzt, könnte ein europaweiter Plan mit den Zielen des EU Green Deals im Einklang stehen und eine doppelte Lösung bieten: die Stabilisierung des Weinmarktes bei gleichzeitiger Förderung der Nachhaltigkeit.

Der Vorschlag wird zwar noch diskutiert, doch allein seine Vorlage im EU-Rat unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Krise. Ob Europa sich für die Umsiedlung, die Umstellung auf alternative Anbaumethoden oder eine Kombination aus beidem entscheidet – die in Brüssel getroffenen Entscheidungen werden die Weinberge des Kontinents und seine Weinkultur für Jahrzehnte prägen.

Quelle: WineNews

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