In einer wegweisenden Rede vor dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Parlaments stellte die Europäische Kommission ihre strategische Initiative zur Stärkung des europäischen Rechtsrahmens für Bioweine und deren Kennzeichnung vor.
Das Hauptziel? Chancen für eine wachsende Zahl von Produzenten zu eröffnen, die den aufstrebenden Markt für alkoholarme Weine im Blick haben.
Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2021, die die Einführung von Regeln mit sich brachte, welche zwei neue Begriffe definieren: „alkoholfreier Wein“ (bis zu 0,5 % vol) und „teilweise entalkoholisierter Wein“ (über 0,5 % vol). Pierre Bascou , stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft (GD AGRI) der Europäischen Kommission, hob hervor, dass diese Begriffe für Winzer, die mit den Herausforderungen sinkenden Konsums und des Klimawandels konfrontiert sind, von entscheidender Bedeutung seien.
Trotz des noch jungen Marktes für alkoholfreie Weine in der EU unterstreichen globale Trends sein Potenzial. Die Nachfrage steigt stetig, insbesondere in wichtigen Märkten wie den USA und Großbritannien. Prognosen deuten auf eine vielversprechende Zukunft hin: Schätzungsweise 42 Millionen Liter alkoholfreier Wein werden in den kommenden Jahren jährlich in ganz Europa produziert.
Während die EU in diesem sich wandelnden Umfeld ihren Kurs festlegt, sieht sie sich jedoch starken Konkurrenten wie Neuseeland und Australien gegenüber, die bereits erhebliche Investitionen in diesem Sektor getätigt haben. Um den Verlust dieser Marktchance zu verhindern, ist die Europäische Kommission bereit, entschlossen zu handeln.
Zentral für dieses Vorhaben ist die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens, insbesondere im Hinblick auf Bioweine. Derzeit stellen die zur Entalkoholisierung von Weinen angewandten Methoden, wie Vakuumverdampfung, Membranverfahren und Destillation, Hürden für die Bio-Zertifizierung dar. Um dieses Problem zu lösen, prüft die Kommission die Machbarkeit der Zulassung der Vakuumverdampfung; ein wissenschaftliches Gutachten wird in Kürze erwartet. Dieser Schritt könnte den Weg für einen delegierten Rechtsakt ebnen und die Aufnahme entalkoholisierter Weine in das EU-Bio-Siegel erleichtern.
Während die EU sich in diesem regulatorischen Terrain bewegt, sieht sie sich mit einer heiklen Debatte um Etikettierung und Nomenklatur konfrontiert. Insbesondere Italien steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, da Interessengruppen Bedenken gegen die Einstufung von Weinen mit niedrigem Alkoholgehalt als echten „Wein“ äußern. Diese Bedenken, die auch im Landwirtschaftsausschuss geäußert werden, unterstreichen die Komplexität, die mit dem Ausgleich zwischen Tradition und Innovation einhergeht.
Die Gefahr regulatorischer Unstimmigkeiten ist allgegenwärtig, weshalb die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für Klarheit und Kohärenz der Regelungen für diesen jungen Sektor plädieren. Das Gebot, die Integrität der Weinetikettierung zu wahren und sicherzustellen, dass die Produkte trotz technologischer Fortschritte ihren Charakter bewahren, findet in den Parlamenten großen Anklang.
Darüber hinaus spielen sozioökonomische Aspekte eine Rolle, insbesondere die Bedenken hinsichtlich der finanziellen Belastung kleinerer Erzeuger durch die Entalkoholisierung. Die Kommission bekräftigt in den laufenden Diskussionen ihr Engagement für die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, darunter der Internationalen Weinorganisation (OIV), um einen soliden Rechtsrahmen zu entwickeln, der Innovationen fördert und gleichzeitig die Authentizität und Qualität europäischer Weine wahrt.
Quelle: EurActiv